Praxis-Newsletter 03/22

Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her….

In unserem letzten Newsletter haben wir noch dem Frühling gehuldigt, der alles gut machen soll und die Hoffnung ausgesprochen, dass nach Omikron die „Normalität“ zurückkehrt.

Da dachte sich das Schicksal…“Weltkrieg?…Weltkrieg hatten wir auch lange nicht mehr!“

Wir könnten jetzt hier viele schlaue Studien über Resilienz und psychische Gesunderhaltung auspacken, aber schlussendlich darf man auch mal den Kopf hängen lassen bzw. in den Sand stecken. Nicht allzu lange, denn dafür ist das Leben zu schön und mit Kopf im Sand wird es ziemlich duster. Aber eine Weile ist das Ertragen und Beweinen negativer Gefühle und Ängste sicherlich eine absolut physiologische und „normale“ Geschichte.

"Es ist nicht üblich, das zu lieben, was man besitzt." (Anatole France)

Apropos „normal“… Ein Wort welches in Zeiten großer Umbrüche in aller Munde ist.

„Wir wollen die Normalität zurück!!!“

Was ist eigentlich „Normalität“?

Ich habe vor Kurzem eine 90 Jährige Ukrainerin, die vor dem Krieg nach Deutschland geflüchtet ist, versorgt. Die zweite Flucht in Ihrem Leben. Nur dieses Mal in die andere Richtung. Erlebt diese Frau Krieg als „normal“, weil sie ihn ja nun schon öfter erlebt hat? Ich konnte sie nicht fragen. Es bliebe nicht die Zeit und mein sprachliches Verständnis hätte es sowieso nicht zugelassen.

Wir (ich bin 1984 geboren) haben Frieden und Wohlstand immer als „normal“ erlebt. Dabei sind diese Dinge überhaupt nicht „normal“. Der Großteil der Welt lebt in Armut und ist Kriegen ausgesetzt. Jeden Tag. Und auch in unseren Breitengraden ist, geschichtlich gesehen, der Friede eine Ausnahme.

Muss ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben, weil es mir so gut geht? Darf ich nicht mehr über meine, in diesem Kontext, kleinen Alltagsprobleme jammern bzw. mir eine Lösung dafür wünschen?

Als Hausärzte sind wir täglich mit den kleinen und großen Problemen des Lebens konfrontiert. Vom juckenden Zeh bis zur Begleitung am Lebensende. Und jeder hat, in unseren Augen, die Berechtigung, sein Problem oder seine Sorge anzubringen und gehört zu werden. Ab und an möchten wir jedoch daran erinnern, dass der Blick für das große Ganze hilfreich sein kann.

Es lässt die Probleme des Alltags vielleicht ein wenig kleiner wirken, wenn man sie Tod und Vertreibung gegenüberstellt. Das soll diese Probleme nicht abwerten oder nichtig machen aber kleinere Probleme lassen sich auch leichter lösen. Und schlussendlich geht es uns, in der Regel, ja nicht darum, das Problem zu bewundern, sondern eine Lösung herbeizuführen.

"Die Lösung ist immer einfach. Man muss sie nur finden." (Alexander Solschenizyn)

Was können wir also in dieser Situation, die sich so zur Gänze unseres Zugriffs entzieht, tun?

Schlussendlich bleibt nur, die Dinge, die wir verändern können, auch zu tun.

Spenden kann ein Weg sein, dem eigenen Gefühl der Hilfslosigkeit entgegenzutreten, indem man einen Anderen, dem es schlechter geht, am eigenen „Wohlstand“ (so groß oder klein er auch sein mag) teilhaben zu lassen. Am effektivsten und erfüllendsten dürfte es jedoch sein, selbst tätig zu werden. Aktuell gibt es in jeder Stadt genügend Anlaufstellen, an denen Hilfe benötigt wird. Und das bezieht sich nicht allein auf Hilfe für Geflüchtete.

Dieser kleine Beitrag zum Wohl Andere bzw. Aller führt und das ist studienbelegt, zur Verbesserung des eigenen Gemütszustandes, weil das Gefühl der Selbstwirksamkeit (etwas geschaffen/geschafft zu haben/ein Teil des Ganzen zu sein) geweckt wird. Ein Gefühl, welches in diesen Zeiten, in denen die Menschen immer mehr vereinzeln und vereinsamen, oft auf der Strecke bleibt.

Probieren Sie es aus. Suchen Sie sich eine sinnstiftende Freizeitbeschäftigung, die nicht nur Ihnen zu Gute kommt. Es kann nicht viel Negatives dabei passieren.

Ansonsten helfen uns die nun wärmer und länger werdenden Tage dabei rauszukommen, unseren wintermüden Körper in Bewegung zu bringen und der Sonne auszusetzen, die uns das dringend benötigte Vitamin D (ja…da gibt’s auch was von Rati…, aber Sonne tut noch so Vieles mehr) verschafft.

Sollten die Probleme am Ende doch zu groß sein, um sie alleine zu lösen, wissen Sie, wo Sie uns finden!

Bleiben Sie gesund!

Ihr Praxisteam Tochtermann